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FINE-DINING AUF DIE GRÜNE ART
Fermentiertes Gemüse verfeinert die Gerichte (c) TMBW / Bernhart
 
FINE-DINING AUF DIE GRÜNE ART
Simon Tress macht’s vor: Bio ist nicht nur gut für die Natur – es verspricht auch höchsten kulinarischen Genuss. In seinem Bio-Fine-Dining-Restaurant „1950“ in Hayingen bereitet der Koch sein CO2-Menü zu

Kräuter und Lauchzwiebeln sprießen aus der Erde, Tomaten reifen an den Stauden im Gewächshaus heran. Simon Tress zupft Minze ab, zerreibt die Blätter und kostet. „Du schmeckst halt, dass es bio ist”, sagt er zufrieden. Der Mann ist Küchenchef im Bio-Fine-Dining-Restaurant 1950 in Hayingen auf der Schwäbischen Alb. 2020 hat der gelernte Koch das Restaurant eröffnet, das als erstes Demeter & Bioland Fine-Dining-Restaurant weltweit gilt. Dort bietet er eine kreative vegetarische Küche an. Mit seinem Küchenkonzept setzt Simon Tress die Philosophie des Familienbetriebs fort. Schon Großvater Johannes hat 1950 seine Landwirtschaft auf Demeteranbau umgestellt; im Stammhaus, dem Biorestaurant und -hotel Rose, wird Fleisch schon seit jeher nur als Beilage serviert. „Damit möchten wir unseren Beitrag zum Klimaschutz und zum nachhaltigen Umgang mit Natur und Tier leisten“, meint der Koch, der gemeinsam mit seinen drei Brüdern bereits als Kind auf dem Feld oder im Restaurant mithalf.

Dass Simon Tress den Familienbetrieb fortführt, ist gar nicht so selbstverständlich. Nach mehreren Stationen in Spitzenrestaurants, darunter die sterngekrönte Traube Tonbach in Baiersbronn, hat es ihn in die Ferne gezogen: erst Berlin und Hamburg, dann Brasilien und Indien. Auch mit der Deutschen Fußballmannschaft der Spitzenköche hat er sich auf andere Kontinente gekickt. Doch: „Irgendwann war Schluss.“ Simon Tress wollte Verantwortung übernehmen, mit seiner Familie etwas von Wert schaffen. Mittlerweile haben alle vier Brüder einen festen Platz im Familienbetrieb, zu dem auch das Bio-Hotel Rose, der Bio-Gasthof Friedrichshöhle in Hayingen-Wimsen und die Heimatküche in Bechingen gehören. Neben klassischer schwäbischer Küche, wie Linsen, hausgemachte Spätzle und Maultaschen, werden im Gasthof und der Heimatküche auch vegane und vegetarische Gerichte in Bioqualität aufgetischt. Seit 2010 stellen die Brüder außerdem gemeinsam die Bio-Suppen-Linie „TressBrüder“ her, damals noch in einer kleinen Küche neben dem Restaurant. Mittlerweile sind ihre veganen Suppen und Eintöpfe nicht nur auf dem Hof, sondern auch in Bio-Supermärkten und im konventionellen Handel erhältlich.

Einkaufen mit dem Traktor

Simon Tress schultert Säcke, gefüllt mit Dinkelkörnern und Mehl, holt Paletten mit Eiern aus dem Hofladen, füllt Kannen mit frischer Milch. „Ohne unsere Erzeuger könnten wir unser Konzept nie umsetzen“, sagt der Koch. So oft wie möglich fährt er persönlich zu den umliegenden Höfen, um dort seine Ware abzuholen. Am liebsten mit seinem Traktor, den schon sein Vater fuhr und der so grün wie die Sommerlandschaft ist, an der Simon vorbeituckert. Auf den Teller wandern bei ihm nur Produkte, die in unmittelbarer Nähe in der Region wachsen, nicht weiter als 25 Kilometer dürfen sie von der Anbaufläche bis zum Restaurant zurücklegen. Selbst Gewürze bezieht der Koch aus der Region, nur beim Salz und den Bio-Weinen macht er eine Ausnahme. „Brutal regional“ nennt Simon Tress sein Konzept, zu dem auch eigener Anbau in Bio-Qualität gehört. Das Gewächshaus steht auf dem Hof gleich neben dem Restaurant. Auf einer Anhöhe vor dem Dorf befindet sich ein drei Hektar großer Acker, auf dem zart grüne Salatköpfe heranwachsen. Und auch den Honig schleudert er selbst. Am Waldrand, gleich neben dem eigenen Acker, hält der Hobby-Imker seine Bienenvölker, die an heißen Tagen wie heute ihre Bienen-Kästen verlassen und schwirrend über die blühende Landschaft der Schwäbischen Alb fliegen.

Ein Koch zum Zugucken

Flinke Hände halbieren geräucherte rote Beete, fischen fermentierte Gurken und Tomaten aus großen Einmachgläsern und schnippeln das Gemüse in feine Würfel. Indem Simon Tress Produkte fermentiert, kann er sie länger haltbar machen, auch mal Gemüse auftischen, das gerade eigentlich keine Saison hat. „So wie früher bei meinen Großeltern eben“, sagt der Koch. Hinter ihm prangt in goldenen Lettern sein Motto: „Die Natur macht den Teller“. Gut, dass fermentierte Lebensmittel nicht nur nachhaltig und gesund sind – sie enthalten jede Menge gute Bakterien – sondern auch noch schmecken. Wie das fermentierte Gurkeneis, das er zusammen mit dem Gemüse für morgen vorbereitet. Dann nämlich erwartet Simon Tress Gäste, die sein „CO2-Menü“ probieren möchten. Auf den Tischen der Gäste werden Kärtchen bereitliegen. Darauf sind die Menschen und Betriebe zu sehen, die in der Umgebung angesiedelt sind und den Koch mit ihren Bio-Produkten beliefern. Und auch mit der Menü-Karte setzt Simon Tress auf Transparenz: „Bei uns erfahren Gäste bei jedem Gericht, welche Zutaten drinstecken, woher sie stammen, wieviele Kilometer sie zurückgelegt haben und welcher Fußabdruck verursacht wurde.“

Nur zwölf Plätze hält das BIO-Fine-Dining-Restaurant bereit, Gäste reservieren das „CO2-Menü“ im Voraus. Dass während dieser Abende eine familiäre Atmosphäre entsteht, liegt auch daran, dass Simon Tress in seiner offenen Küche vor den Augen der Gäste kocht. „Ich möchte nicht alleine in der Küche stehen. Ich mag den Trubel und den direkten Kontakt zu den Leuten.” Manchmal ist Simon Tress dann aber doch ganz privat. Zum Beispiel wenn er, wie jeden Tag, mit seinem Sohn bei den Bienen und am Acker vorbeischaut. Und damit möglicherweise schon die Saat für die nächste Generation sät.
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Eintrag vom: 21.05.2023  




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