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Mit Slow Food gut Kirschen essen
Mittelrheinkirschen: Perle von Filsen (c) Annette Braun-LĂŒllemann --
 
Mit Slow Food gut Kirschen essen
46 traditionelle Kirschsorten aus dem Oberen Mittelrheintal stehen unter dem Schutz der Arche

Der neue Arche-Passagier von Slow Food setzt sich aus 38 SĂŒĂŸ-, vier Sauer- und vier Bastardkirschen zusammen. Gemeinsam ist ihnen ihre Heimat: Das Obere Mittelrheintal, das zum UNESCO-Weltkulturerbe zĂ€hlt. Die alten Kirschsorten umfassen eine Vielfalt in Form, GrĂ¶ĂŸe, Festigkeit sowie Farbe und Geschmack, die in SupermĂ€rkten sowie an den meisten StraßenverkaufsstĂ€nden heute nicht mehr zu finden ist. Sie eignen sich fĂŒr den Frischverzehr ebenso wie fĂŒr alle Arten der Verarbeitung fĂŒr Marmeladen, Liköre oder SĂ€fte, in Balsamico als Begleiter fĂŒr herzhaften Speisen oder als Kuchenzutat. Mit der Aufnahme in die Arche möchte Slow Food diese Vielfalt fĂŒr Mensch und Natur erhalten.

Bopparder KrĂ€cher, Geldklose, Perle von Filsen, WestfĂ€lische Braune Leber oder Minister von Podbielski – alte Kirschsorten mit diesen klangvollen Namen suchen die meisten Verbraucher*innen heute vergeblich. Dabei prĂ€gten KirschbĂ€ume bis in die 1960er Jahre hinein maßgeblich das Landschaftsbild des Oberen Mittelrheintals. Insgesamt zĂ€hlt die Region fast 90 Kirschsorten, die Ă€ltesten stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Diese Vielfalt und die passenden klimatischen Bedingungen machten das Mittelrheintal zu einem der grĂ¶ĂŸten Kirschanbaugebiete Deutschlands. Der wirtschaftliche Erfolg des ‚Kirschbooms‘ prĂ€gte das Alltagsleben vieler Familien; KirschmĂ€rkte und -feste dominierten das Dorfleben. AushĂ€ngeschild der Mittelrhein-Kirschen war die 'Geisepitter’; sie ist fĂŒr einheimische Gourmets bis heute die beste Einkochkirsche.

Mit den verĂ€nderten AnsprĂŒchen des Handels, seiner Nachfrage nach einheitlicher, transportfester Ware sowie sinkender Abnahmepreise v. a. durch sĂŒdeuropĂ€ische Konkurrenz fand die Ära der Mittelrhein-Kirschen in den 1960er Jahren sukzessive ein Ende. Inzwischen sind nach Erhebungen durch Dr. Annette Braun-LĂŒllemann allein ĂŒber 80 Prozent der SĂŒĂŸkirschsorten gefĂ€hrdet. Auch das Wissen um die alten Sorten geht verloren, weil die meisten der alten ObstanbĂ€uer*innen im Rentenalter oder schon verstorben sind.

Diesen kulturellen und kulinarischen Verlust möchte der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal aufhalten und entwickelte dafĂŒr u. a. eine SpezialitĂ€tenmarke fĂŒr Kirscherzeugnisse aus der „Mittelrhein-Kirsche“. Passionierte Kirschfreund*innen und Erzeuger*innen stĂ€rken mit Picknicks und Genuss-Wanderungen entlang des „Kirschenpfads Filsen“ das Bewusstsein fĂŒr die Region als traditionelle Obstbauregion. Hinzu kommen Schnitt- und Pflegeseminare sowie Bildungsangebote fĂŒr Schulen.

Dieses Engagement unterstĂŒtzt auch Slow Food Deutschland ab sofort. Produkte, die zu 100 Prozent aus den in die Arche aufgenommenen Sorten bestehen, können mit der Arche des Geschmacks beworben werden. Gerhard Schneider-Rose, Leiter der Arche-Kommission, begrĂŒndet das Slow-Food-Engagement fĂŒr die Kirsche: „Es ist heute richtig schwierig, frische Kirschen zu kaufen, die weder durch halb Europa gereist sind noch dem Standard von groß, makellos und lange haltbar entsprechen. Diese UmstĂ€nde unterstreichen aus Slow-Food-Sicht die Leistung des Zweckverbands Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal sowie die Notwendigkeit zu handeln. Er hat ein beispielhaftes Netzwerk mit Vertreter*innen aus Gartenbau, Obstverarbeitung, Tourismus und Bildung geknĂŒpft. Das lĂ€sst auf eine zeitgemĂ€ĂŸe Wiederbelebung der Tradition hoffen.“
 
Eintrag vom: 26.06.2021  




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